Ein Beitrag von Angelina
Ich habe lange gesucht, die Sehnsucht sucht. Die Suche in den Nächten, allein durch die Dunkelheit, Suche in Musik, Kunst, Drogen, Sexualität, Ekstase, Schmerz... Nicht von Heute auf Morgen ändert sich alles (auch wenn es manchmal so scheint), die jahrelang antrainierten Muster zu verändern – dauert Jahre.
Das Suchende in mir sucht immer noch, aber ich suche nicht mehr. Ich bin angekommen. Heute habe ich das Suchende in mir erkannt. Es ist eine Bewegung in meinem Geist, ein Muster, etwas, das vermeiden will – Leid vermeiden will, aber auch ist es die Suche nach dem Glück. Wenn ich dieses Suchende “Etwas” erkenne, kann ich aufhören, mich damit zu identifizieren. Einfach sein, mit allem, was ist, in diesem Moment. Das ist (das) Leben in all seinen Facetten.
In meiner Erkenntnis, dass etwas Suchendes in mir ist, erkenne ich auch, dass die Suche an sich ein Teil unseres Lebensweges ist. Wir suchen uns selbst, unsere Vollständigkeit, Verbundenheit und die grundlose Freude (wie es auch im Buddhismus oft heißt). Und das Suchen selbst hat mich zu der Erfahrung gebracht, dass all das schon immer da ist und dass ich diese Erfahrung nur machen kann, wenn ich inne halte, beobachte und fühle und nicht ständig in der „weg von“ oder „hin zu“ Bewegung bin. Und dennoch führte mich meine Suche zu wunderbaren Orten, Menschen, Erfahrungen und letztendlich auch zum Buddhismus und Zazen und somit zu der Erfahrung vom einfachen Sein.
Ich meditiere seit 2013, irgendwie wusste ich immer, dass es richtig ist. Ich habe es einfach gemacht, auch wenn es sicher nicht immer einfach war und auch heute nicht immer einfach ist. Aber es hat auf so vielen Ebenen mein Leben gestärkt, mir Einblicke in mich selbst gegeben, mich Muster erkennen und verändern lassen, die Beziehung mit mir selbst vertieft, gestärkt und mich beziehungsfähiger gemacht. Vor allem fühle ich mich bei der Meditation mit etwas verbunden und es hat mich letztendlich 2021 zu meiner Zen-Lehrerin Doko Waskönig, zum Zen allgemein und 2022 zum Zen Lab geführt.
Im Oktober 2022 brachte mich die Frage, wo ich leben möchte, nach Leipzig. Wenige Tage später war ich das erste Mal im Zen Lab bei einer Beginners Night. Clara führte uns ins Zen Lab ein und ich fühlte mich gleich zuhause. Fast alle Menschen, die ich an diesem Abend traf, waren noch recht frisch in Leipzig und alle hatten etwas gemeinsam: Sie waren auf der Suche. Auf der Suche nach Verbundenheit, Tiefe und gemeinsamer Praxis oder wie Maxi an dem Abend mit strahlenden Augen sagte: „Ich suche nach einer neuen Family“. Kurze Zeit später lernte ich auch Alex und David kennen. Bei den dreien (Alex, David und Clara) hatte ich gleich das Gefühl von „Andocken und offener Weite“. Es war sofort eine Tiefe da, die man wirklich selten in dieser Welt findet, und auch alle weiteren Begegnungen im Zen Lab waren meist in irgendeiner Form von dieser Art.
Ich kam zu den Orga-Treffen, konnte das Zen Lab für meine Kakao-Zeremonien mieten und es verging kein Tag, an dem ich nicht genährt und glücklich war und mich zuhause fühlte, wenn ich Zeit im Zen Lab verbrachte. Für mich war das Zen Lab eine leuchtende Perle im tiefen, dunklen Ozean.
Nachdem ein paar Monate vergangen waren, saßen wir wieder einmal bei einem Orga-Treffen. Es gab etwas Wichtiges zu klären, das wurde im Vorfeld angekündigt: Es sei wichtig, dass so viele wie möglich kommen. Nach dem üblichen Check-In bei diesem Treffen stellte David eine Frage: „Soll der Mietvertrag vom Zen Lab verlängert werden?“ …
David plante, für ein Jahr in die USA nach Crestone ins Mountain Zen Center zu gehen, Clara und Alex zeitgleich für drei Monate. „Wir könnten wieder, wie zu Beginn, einen Yoga-Raum mieten, für die regelmäßigen Sitzzeiten?“ warf David in den Raum. Eine betroffene Stimmung machte sich breit. Bei der Vorstellung, dass es kein Zen Lab mehr geben sollte, durchflutete mich ein Gefühl, das ich nicht beschreiben kann. Es war unvorstellbar. Es würde ein Loch hinterlassen, das mit nichts zu füllen gewesen wäre. Dieser Ort hatte etwas unaussprechlich Bedeutsames und unfassbar Wichtiges für uns alle und für die, die noch kommen würden, da war ich mir sicher. „Das Zen Lab muss bleiben! Das bekommen wir gemeinsam hin. Das Jahr ziehen wir zusammen durch!“ sagte ich in die Gruppe, ohne auch nur den blassesten Schimmer davon zu haben, wie ich oder wir so viel Kapazität und Verlässlichkeit aufbringen sollten, wie nötig war, um das Zen Lab zu halten (und wie viel davon wirklich nötig war, konnte keiner von uns erahnen). Mir fiel es zu dieser Zeit schon schwer, mich auf einen festen Termin in der Woche festzulegen.
Das war jedenfalls der Startschuss für einen unfassbar intensiven, langwierigen, anstrengenden und nervenaufreibenden Prozess. Zu dieser Zeit widmeten sich David, Alex und Clara dem Entwerfen eines Statut, damit das Zen Lab eine feste Struktur bekam. Dadurch sollten Klarheit und friedliches Miteinander langfristig möglich sein und es wurde beispielsweise eine klare Aufgabenverteilung entworfen. Es schuf eine sehr wichtige und notwendige Orientierung. Ich hätte niemals gedacht, wie viel Arbeit „so ein Zen Lab“ sein kann. Vor allem – und zum Glück – liegt uns allen die Praxis und das Zen Lab sehr am Herzen, sodass wir bereit waren sehr viel zu geben und unser Nährboden ist die tragende Zen-Praxis.
Mit der Zeit kristallisierte sich die neue organisatorische-Leitung heraus: Helena, Oleg, Hannes und ich. Hatte ich das wirklich gewollt? Manchmal kam ich mir vor wie eine Hochstaplerin, irgendwann würde dieses Konstrukt aus Übermut „wir ziehen das durch“ zusammenbrechen. Wie oft dachte ich: „Das kann ich überhaupt nicht“ und „Was habe ich da eigentlich zugesagt?“ Aber das Konstrukt brach nicht, sondern ich wuchs. Ich war bei jedem Treffen, übernahm mehr Aufgaben, als mir gut taten (konnte später wieder welche abgeben), lernte verschieden Positionen der Zen-Praxis kennen und übernahm Verantwortung bei Meditationszeiten (übrigens nach wie vor meine liebste Aufgabe ;-)). Wir teilten die Sitztage und Einführungsabende auf... Wir übernahmen nach und nach immer mehr der tragenden Aufgaben, während das Statut weiter verfeinert wurde und im Grunde noch mehr Aufgaben mit sich brachte. :-D
Neben all der Anstrengung hatte ich das Gefühl, selten etwas in meinem Leben getan zu haben, das mehr Sinn erfüllend war, als die Arbeit im Zen Lab. Wie oft sah ich leuchtende, dankbare Augen! Die Begeisterung von Alex, David und Clara war spürbar, als sie nach über vier Jahren Zen Lab Menschen fanden, die einen Großteil ihrer Aufgaben übernahmen und diese genauso liebevoll, zuverlässig und gewissenhaft ausführten wie sie selbst. Die Verteilung der Aufgaben auf mehrere Schultern schuf für die drei endlich mehr Freiraum, Aufgaben nachzugehen, die lange liegen blieben und Ideen zu verfolgen, die das Zen Lab weiterentwickeln. Wir bestärken und unterstützen uns gegenseitig, und unfassbar viel Wertschätzung liegt im Raum. Unsere Gemeinschaft wächst, neue Menschen kommen und bleiben, Freundschaften vertiefen sich, und das Zen Lab lernt Laufen (wie es David und Clara formulierten).
Ich bin unfassbar dankbar für so wundervolle Menschen in meinem Leben und habe mehr bekommen, als ich mir in meinen Träumen ausmalen konnte. Als im August 2023 das Sommerfest im Zen Lab stattfand, durfte ich Akos kennenlernen, der seitdem mein Lebensgefährte ist. Für uns ist das Zen Lab und die gemeinsame Praxis wie unser Garten, der uns lehrt, nährt und zusammenhält. Ob das alles das Ende der Suche ist? Sicher nicht, denn es gibt noch so viel zu entdecken in diesem Leben.
Und was machen wir jetzt? :-) Zusammen mit einer großen Gruppe von Menschen fahren wir wieder zum Rohatsu Sesshin in den Schwarzwald, organisieren Veranstaltungen, diskutieren, planen und träumen zusammen. In dieser Gemeinschaft geben wir uns Raum, Verständnis, Fürsorge und Mitgefühl. Immer wieder sitzen, schweigen und lachen wir aus vollem Herzen und aus tiefster Seele zusammen.
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