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David

Von Sehnsucht, Freundschaft und Pancakes - Ein Rückblick zu fünf Jahren Zen Lab

Ein Beitrag von David


Euphorie fand einen Raum - “Viel zu teuer, viel zu groß”


Wir konnten es selbst kaum glauben, als wir Anfang November 2019 die Schlüssel für das frisch renovierte Ladenlokal an der Bussestraße erhielten. Wenige Monate zuvor hatte ich die Räumlichkeiten im Internet entdeckt, während Robert, Alex, Natalie, Benny und ich uns für einen Zen Tag in der WG von Benny und mir trafen. “Viel zu teuer, der Schritt ist viel zu groß”, waren die ersten Reaktionen, als ich unmittelbar nach unserem Zen Tag der Gruppe die Räumlichkeiten zeigte. Die Augen von Alex hingegen wurden groß: “Rechne das mal aus, David. Wir müssen das machen, das wäre ja unglaublich!” In der Folge ließ sich die Euphorie von Alex und mir bei dem Gedanken an einen eigenen Raum - vor allem aber an diesen Raum - kaum bremsen. 


Ein Ladenlokal, mitten im studentischen Viertel, große Schaufenster, stilvoll in matten schwarz, grau, weiß-Tönen renoviert, großzügig, einladend, mit einem nutzlosen Torbogen in der Mitte des Raumes - perfekt! Der Raum erinnerte mehr an ein französisches Café, als an einen spirituellen Treffpunkt und begeisterte mich vor allem durch die Ästhetik, Lage und Sichtbarkeit - Zen könnte mitten im Leben, in Zentrums-Nähe, im kulturell vielfältigen, im wilden Alltag der Eisenbahnstraße stattfinden und einladend sein. Wortwörtlich ist die Schwelle zum Eintreten und Verweilen in diesem sichtbaren und ästhetischen Eckladen mit großen Schaufenstern gering - nur drei Treppenstufen und man sitzt beinahe im Zendo.


Kurze Zeit später verließ ich Leipzig für knapp einen Monat und sagte mir innerlich, dass ich das Schicksal entscheiden lassen würde - wenn der Raum auch in einem Monat noch zu haben ist, dann versuche ich mein Bestes. Erholt kam ich wieder und siehe da: Das schöne Ladenlokal in der Bussestraße stand immer noch frei. 




Die Anfänge - und eine schweißtreibende erste Woche


Viel könnte ich schreiben zu den Anfängen des Zen Labs, zu dem Telefonat mit Baker Roshi, in dem er zu mir meinte “just sign the contract” (“unterschreib einfach den Vertrag”) und zu den Wochen des Wartens und Zögerns. Die Eröffnung des Zen Labs veränderte alles für uns als Gruppe und wälzte auch mein persönliches Leben um. 


Nachdem wir den Schlüssel erhielten, verblieb uns etwas weniger als eine Woche, um den Raum einzurichten und herzurichten. Knapp fünfzig Gäste, sowie Richard Baker Roshi und Nicole Baden Roshi, erwarteten wir zur Einweihung. In dieser einen Woche mussten wir uns als Gruppe erstmal sortieren, zusammenfinden und vor allem aber: Einen Boden verlegen. Übergeben wurde uns ein Raum mit frisch gegossenem Estrich - leider uneben. Niemand von uns hatte einen Boden vorher verlegt, geschweige denn einen unebenen Boden ausgeglichen. Es folgten lange Tage und Nächte voller Arbeit und Diskussionen, wandelnd zwischen Verzweiflung, Hoffnung und vergossenem Schweiß. In der Nacht vor der Einweihung trafen Alex, Natalie und ich bis tief in die Nacht letzte Vorkehrungen und schliefen schließlich auf den Meditationsmatten - für knapp drei Stunden, bevor wir Nicole und Richard Baker am frühen Morgen zur Einweihung begrüßten. 


Wenn ich zurückblicke auf die Zeit der Eröffnung, dann kommt mir das Wort “magisch” in den Sinn. Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke, was damals plötzlich an Energie der Gruppe zusammenkam - wie wir an einem Strang zogen, um die Eröffnung möglich zu machen und wie sich unsere Gruppe erst dadurch wirklich fand.



Auf Euphorie folgt Findungsphase - das Zen Lab lernt Laufen


Anfänglich landeten wir in diesem tollen Raum, ohne zu wissen, was genau nun passieren sollte. Schnell entwickelten sich Freundschaften; an Samstagen trafen wir uns nach der Meditation bei Pauline zum Pancake-Essen, gingen abends zusammen aus oder fuhren in den Urlaub miteinander. Neue Menschen kamen hinzu und bald sahen wir uns komplexeren Fragen ausgesetzt: Wie traditionell ist unsere Zen-Praxis, rezitieren wir? Was bedeutet eine Verbeugung in unserem Rahmen. Brauchen wir eine Leitung? Und überhaupt: Wer trifft all diese Entscheidungen? Es folgte eine Findungsphase, die für uns als Gruppe nicht leicht war. 


Als Projekt haben wir mehr und mehr eine Ausrichtung gefunden und heute sind 15 bis 20 Personen regelmäßig organisatorisch beteiligt. Wir teilen den Wunsch, eine ethische und spirituelle (Lebens-)Praxis im städtischen Kontext zu etablieren. Freundschaften haben sich vertieft und aus manchen Freundschaften sind Beziehungen geworden, es gibt die ersten “Zen Lab Paare”. 




Ein persönlicher Rückblick - Sehnsucht findet Wände


Für mich persönlich war das Zen Lab die leise Suche nach einem anderen Leben. Es war der Ausdruck einer Sehnsucht, die ich gar nicht richtig fassen konnte, die aber unglaublich groß in mir war. Es war der Wunsch, meiner Lebendigkeit und Intuition zu folgen und das Wissen, dass dieser Schritt für mich wirkliche Konsequenzen haben würde. So zögerte ich selbst für Wochen - und entschied mich letztlich - zögerlich - dafür. Es war ein Schritt ins Ungewisse, ein Sprung ins Nichtwissen - beängstigend und aufregend zugleich.


Das Zen Lab hat mich verändert und wir haben das Zen Lab verändert. Mein Leben ist ein anderes Leben und Zen ist ein so großer Bestandteil davon geworden - diesen Bericht schreibe ich schließlich gerade aus dem Zen Zentrum in Crestone. 


Obwohl ich auch heute nicht genau weiß, was dieses andere Leben überhaupt ist, das ich damals suchte, fühlt es sich so an, als hätte ich es gefunden. Für mich ist es heute ein lebendiges und freies Leben. Wirklich dankbar bin ich Nicole Baden Roshi für ihre Unterstützung und die unzähligen Telefonate damals, Richard Baker Roshi für sein volles Vertrauen und für die Begeisterung, die er dem Projekt entgegenbringt. Den damaligen Gründungsmitgliedern, ohne die das Zen Lab niemals zustande gekommen wäre, Alex, Natalie, Akos, Benny, Robert und Robin. Und natürlich all denen, die das Zen Lab heute tragen. 


Was für ein besonderer Ort. 


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